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Jul

Was wir feiern .. Jul – Jól – Jõulud – Yule – Joel - Jööl

 

Weihnachten feiern wir hier allerorten, dabei müsste es eigentlich „Weihenächte“ heißen, denn Jul ist ein Festtag in der Julzeit, die ehedem von Mitte November bis Mitte Januar reichte und die Festtage Mütternacht, Wintersonnenwende, Jul und die Raunächte umfasste.

 

Wann also ist Jul?

 

Meines Erachtens nach ist Jul am 21.12., zur Wintersonnenwende. Das ist aber beileibe nicht das einzige oder einzig richtige Datum des Festes. Vor dem christlichen und sein Land christianisierenden König Hakon I. von Norwegen wurde das Julfest im Januar begangen (der 15.01. ist bei den Fachleuten im Gespräch) und soll dreizehn Tage gedauert haben. Der König, der seine Landsleute der Kirche zuführen wollte, ließ das Fest im 10.Jhr. auf den 25.12. verlegen – auf das Datum, das vom Konzil von Konstantinopel im Jahre 381 als der Geburtstag des Jesus v. Nazareth festgelegt wurde.

 

Zusätzlich gab es da über die Jahrhunderte aber auch verschiedene Datumsverschiebungen wegen der Kalenderreformen - erst der julianischen, dann der gregorianischen - und demgemäß&jedenfalls fiel bis 1582 die Wintersonnenwende auf den 13. Dezember, der vor- und nach-christlich der Lichtjungfrau [Luzia] geweiht ist. In Schweden und auch in bestimmten Gebieten Deutschlands wird bis heute am 13. Dezember das „Sankta Lucia“-Fest beziehungsweise die Luziennacht gefeiert. Eigentlich also auch Jul und ein klarer Hinweis auf die weibliche Gottheit, die mit dem Lichtaspekt des Festes verbunden ist. In meinen Augen ganz folgerichtig, denn unsere nordische Sonne ist eine Göttin, Sunna mit Namen. Dann gibt es noch Gegenden, vornehmlich in der Schweiz, die das Fest mit der Silvesternacht assoziieren (in der tatsächlich ehedem Geschenke ausgetauscht wurden) und die 'Jul' deshalb zum Neujahrstag feiern und dann bis zum 13.01. in die Raunächte gehen.

 

Alles nachvollziehbar. Alles nicht falsch. Wenn Du Jul feiern möchtest, schau einfach, wohin es Dich zieht, was Dir persönlich, in Deiner Region, in Deinem Kreis, in Deinem Pantheon richtig und stimmig erscheint.

 

 

Was also ist Jul?

 

Jul ist eine Mischung aus Licht-, Toten- und Fruchtbarkeitsfest, das tiefer geht und mehr zu bieten hat, als das inhaltlich meist sehr reduzierte Weihnachten, das wir mehrheitsgesellschaftlich 'absolvieren'.

 

Seit Menschengedenken ist der Tag der Wintersonnenwende ein Feiertag. Zum Beispiel feierte der vorderasiatische Mithras-Kult an diesem Tag die Geburt des Lichtgottes, der ägyptische Isis-Kult den Geburtstag des Falkengottes Horus und die Römer subsumierten alle vorherigen Gedenkfeiern ihres Imperiums zum Tag des „Sol invictus / unbesiegbaren Sonnengottes“. Die katholische Kirche hat, wie schon geschrieben, entsprechend nachgezogen.

 

Obwohl das Julfest zu ebenjenem bedeutungsvollen Datum resp. Himmelereignis stattfindet (die Sonne durchwandert ihren südlichen Wendekreis und so werden nach der längsten Nacht des Jahres die Tage wieder länger) ist es inhaltlich nicht [völlig] mit den vorgenannten Kultfesten gleichzusetzen, da wir zwar ebenfalls das wiederkehrende Licht begrüßen, aber kein Sonnen- oder Lichtgott geboren wird. DIE Sonne ist eine Göttin mit Namen Sunna resp. Sol; Balder ist zwar der Strahlende, aber kein Messias. Er kehrt nach Ragnarök wieder, was kein jährlicher Wechsel im Jahreskreis ist, sondern ein - hoffentlich sehr, sehr fernes - einmaliges Unterfangen. Unstrittig ist, dass der Begriff „Jul“ schon in vorchristlicher Zeit verwendet wurde. Wie allerdings die Riten genau aussahen, darüber gibt die altnordische Literatur keine erschöpfende Auskunft, so können wir wieder nur anhand der Traditionen und des regionalen Brauchtums Rückschlüsse ziehen.

 

Nach Wilhelm Mannhardt wurde „bei der Einführung des Christenthums unter allen deutschen Stämmen das Julfest mit dem Christfeste vertauscht“ und mit dem Inhalt der neuen Religion erfüllt, wobei sich viele heidnische Festbräuche aber erhielten. August Ebrard schrieb entsprechend: „Man ließ den Heiden ihre Götter und ihre Feste; man taufte sie nur um dem Namen nach, wie die Heiden selber“. Auch hier wieder: Schau, was sich für Dich, Deine Lebensumstände und Glaubenswelt richtig anfühlt.

 

 

Was also machen wir an Jul?

 

Wir begrüßen voller Freude das wiederkehrende Licht, ehren die Lichtbringerin, die Lichtträgerin Sunna/Sol, Luzia, Frigg, mancherorts werden auch zu Jul Sonnenräder entzündet und die Berge hinabgerollt. Im Julritual danken wir für das vergangene und bitten um ein gutes neues Jahr. Eine weit verbreitete Tradition ist es, alle Lichter im Haus zu löschen und sich in der Dunkelheit einen Moment der Andacht/Meditation/Trance hinzugeben und der Erwartung/dem Segen des kommenden Lichtes zu öffnen, bevor vom Haushaltsvorstand oder Kultleiter*in das Julfeuer (der Julblock) rituell entfacht wird. Alle Kerzen/Lichter des Hauses werden daran neu entzündet, wer zu Besuch ist oder an einem größeren Ritual teilnimmt, trägt das 'neue' Licht als brennende Kerze im Windlicht nach hause. Das Julfeuer ist ein guter Ort, um gegenständliche und/oder spirituell/seelische Dinge loszulassen, die wir mit Düsternis, Schwere und Belastung assoziieren: keine Dunkelheit hält dem neuen Licht stand! In unserem Zuhause können wir die reinigenden und klärenden Kräfte dieser Zeit mit Räucherungen unterstützen - bei mir glüht jeden Abend ein Räuchermännchen auf dem Ahnenaltar still lächelnd vor sich hin. Die Asche des Julblocks (des extra für das Julfeuer ausgewählten, zentralen, meist besonders großen Holzscheids) wird als heilend und glücksbringend aufbewahrt.

 

Wir ehren unsere Ahnen und Ahninnen, nicht nur in der Mütternacht vor Jul, sondern auch zum Fest, in dem wir an unserer Festtafel einen Stuhl und gedeckten Platz für sie frei halten, damit sie sich - auch in Form eines Überraschungsgastes - zu uns gesellen können. Auch in der Wilden Jagd, angeführt von Odin auf Sleipnir und von Frigg (in ihrer Erscheinung als Holle oder Perchta), die mit den rauen Winden durch die Wälder und um die Häuser tobt, erkennen wir unsere Altvorderen. Wie auch den Göttern trinken wir den Ahnen mit dem guten Julbier zu, bestärken unseren Bund und versichern uns ihres Wohlwollens und ihrer Unterstützung. Um den Bund mit den Lebenden zu stärken und uns einander unserer Liebe und Freundschaft zu versichern, machen wir einander Geschenke (Julklapp). Der Mann-der-Weihenächte, der Weihenachts-Mann, der die Geschenke bringt, wird oft mit Odin gleichgesetzt, kommt er doch ursprünglich mit Hut und Wanderstab und in einem blauen Mantel daher (oft schaut der 'Knecht Ruprecht' heute auch bei uns noch so aus). Andererseits weiß man in Skandinavien, dass der Bock die Geschenke bringt und der ist ja nun ganz klar ein Begleiter von Thor - auch hier bleibt es spannend, die einen sagen so, die anderen so ;).

 

Wir feiern das Leben. Mit der Rückkehr des Lichtes steht fest, dass es ein neues Jahr geben wird, neues Leben, eine neue Saat und eine neue Ernte. Zum Fest holen wir uns die Symbole der Fruchtbarkeit ins Haus und schmücken es mit immergrünen Zweigen, Misteln (unter der wir uns Freyjas Kuss abholen) und genießen (symbolisch) die Äpfel der Göttin Idun, Nüsse, Leckereien (Gebäck in der Form von Pferd, Hase, Storch, Schwan, Hirsch, Fisch, Sonnenrad, Schiff, Juleber, Hahn) und ganz traditionell einen Wildschweinbraten. Der Juleber ist dann auch das überliefert traditionelle Opfertier des Julfestes zu Ehren des Gottes Freyr. Der Eber wurde mit der Bitte um ein gutes Jahr und Frieden geopfert. Um einen Juleid zu schwören (der sich in unseren „guten Vorsätzen fürs neue Jahr“ erhalten hat), legte man die Hand auf den Rücken des Ebers und trank hernach einen Julbecher. Ein weiterer Brauch sind laut lärmende Umzüge, die den Winter vertreiben und vor allem die Frühlingsgöttin und die Erdkraft wecken sollten. Erhalten hat sich das bis heute in unserer Knallerei an Sylvester und in den Läufen der Perchten, die ehedem die Begleiter der guten Mutter Holle/Perchta waren und zu Unrecht dämonisiert wurden. Sie kamen mit der Rute und schlugen sowohl die Erde und die Bäume, als auch die jungen Frauen und Männer, um die Lebenskraft und die Fruchtbarkeit zu wecken.

 

! Nicht vergessen: Zur Nacht der Wintersonnenwende gilt es, die Hinze&Kunze, die Heinzel und Wichte, die Tomte und Nisse, alles kleine Volk, alte Volk, schöne Volk zu ehren und ihnen für die Freundschaft und die Unterstützung im vergangenen Jahr zu danken und darum zu bitten, dass die guten Beziehungen im neuen Jahr anhalten mögen. Besonders eignet sich ein kurzes, selbstverfasstes Gedicht nebst einem üppigen Teller mit Griespudding oder Milchsuppe, gespickt mit Honig, Nüssen und Äpfeln, serviert an einer ruhigen Stelle in der Nähe des Hauses (für Städter*innen: Balkone, Terrassen und Hinterhöfe zählen auch).

 

Ich wünsche Dir und Deinen Lieben ein gesegnetes Julfest, eine freudige Wintersonnenwende und allzeit gute Freundschaft mit den guten Geistern! Heja!

 

Urs Grágás Bärenkräfte Barth