Was wir feiern ..
Mittsommer. Sommer-Sonnen-Wende. Alban Heruin.
Am 21. Juni ist der längste Tag und die kürzeste Nacht des Jahreslaufes, die Sonne ist auf der Höhe ihrer Macht (auch astronomisch: sie steht an ihrem höchsten Punkt über dem Horizont) und
endlich beginnt der Hoch-Sommer, die heißesten Tage liegen noch vor uns mit ihren lauen süßen Nächten voller Sinnlichkeit.
„Sonnen-Wende“ heißt das Fest, weil die Tage ab dem folgenden Morgen wieder kürzer werden, da die Sonne sich (von der Erde aus gesehen) von ihrer höchsten Mittagsposition abzuwenden beginnt. In
vielen Kulturen wird die Geschichte eines Sonnengottes oder Lichtträgers erzählt, der auf dem Höhepunkt seiner Macht - also zu Mittsommer - zu Tode kommt und in die Unterwelt gehen muss, um zur
Wintersonnenwende am 21. Dezember wiedergeboren zu werden.
In unserer nordischen Mythologie ist dieser strahlende Gott Balder, ein Sohn der Frigg und des Odin, der auf tragische Weise durch die Hand seines Bruder Hödur fällt und nach Helheim gehen muss.
Seine Ehefrau Nanna kann seinen Tod nicht verwinden und folgt ihm. Im Unterschied zu den meisten anderen indo-europäischen Überlieferungen wird Balder aber nicht jedes Jahr zu Mittwinter
wiedergeboren, sondern bleibt in Helheim und wird erst zu Ragnarök zurückkehren, um ein neues Zeitalter einzuläuten. [Alle Details nachzulesen in der Völuspa.]. Die Gruppe mit der ich das Fest
begehe ehrt zu diesem Fest die Götter Sunna, Balder und Nanna und ihren Sohn Forseti, den obersten Richter der Götter und Menschen. Dieses Jahr steht er bei uns im Vordergrund – die Reisen zur
Festvorbereitung haben deutlich gemacht, dass es in Midgard so einiges gibt, was der Klärung, der Ordnung und der Versöhnung bedarf und dass die Götter davor nicht die Augen verschließen. Auch
zur Sommersonnenwende sind die Schleier zwischen den Welten dünn, so dass ein lehrender klärender Austausch leicht geschehen kann.
Bei unseren keltischen Verwandten heißt dieses uralte Fest, die Summer Solstice, neodruidisch auch Litha, und Alban Heruin. Die christliche Kirche schließlich hat den Feiertag vom 21. auf den 24.
Juni verschoben und ihn dem Heiligen Johannes, dem Täufer, geweiht. So kennen dieses Fest heute viele als Johanni oder Johannestag. Und wie meist hat die Kirche ihren Feiertag mit dem reichen
vorchristlichen Brauchtum verwoben.
Tatsächlich sind die Sonnwendtage die ältesten – überlieferten - Feiertage von denen wir wissen. Auf der Himmelsscheibe von Nebra, die etwa 1600 v.d.Z. in der Bronzezeit entstand, finden sich
Bezüge zu den kürzesten und längsten Tagen des Jahres. Und in Goseck (Sachsen-Anhalt) kann man an kreisförmigen Bodenbauwerken sehen, dass bereits in der Jungsteinzeit (ca. 4800 v.d.Z.) die
Sonnenwendtage von großer Bedeutung waren – zwei der drei Tore sind auf diese Tage ausgerichtet. Stonehenge, das nach neusten Forschungsergebnissen noch älter ist, als die großen Pyramiden in
Ägypten, weist mit seinen Steintoren im Zentrum der Anlage auf den Sonnenaufgang am Mittsommertag.
Je weiter nach Norden wir schauen, desto ausgelassener und bisweilen exzessiver wird die Sonnenwende gefeiert .. wo es lange Dunkel ist, ist der gute Kontakt zur Sonne – zu unserer nordischen
Göttin Sunna – umso wichtiger [hier klärt sich, warum es bei uns *die* Sonne heißt]. In den nördlichsten Gefilden kann man beobachten, dass die Sonne an diesem Tag und den Tagen um die
Sonnenwende herum überhaupt nicht untergeht. Da versteht es sich, warum der Mittsommer unsere Ahn*innen ursprünglich der Höhepunkt einer zwölf Tage langen Festzeit war.
Mittsommer ist die Zeit der sich ankündigenden Fülle, der bevorstehenden Ernte, wir können den Lohn unserer Bemühungen schon sehen ..alles, was wir gesäht haben wächst, das Korn ebenso wie die
Gemüse, Kräuter und Beeren, an den Bäumen beginnt das Reifen der Früchte, im Tierreich tummelt sich der Nachwuchs .. das Leben pulsiert um uns herum, strebt dem Höhepunkt von Werden&Vergehen
zu. Mit diesem Fest tauchen wir mit allen Sinnen bewusst ins Hier und Jetzt ein, feiern den Kreislauf des Lebens: Alles was aufstrebt, wird auch wieder sinken, sei es die Sonne, die Kraft, unser
eigenes Leben .. aufstreben, sinken und erneut erstehen!
Mancherorts haben sich noch wunderbare Rituale erhalten. So wird zum Beispiel in Tirol auf manchen Berghöfen noch das „Füttern der Elemente“ zur Sommersonnenwende praktiziert .. vom Festessen
wird ein Teil in den nächstgelegenen Bach gegeben, ein Teil ins Feuer, ein Teil in der Erde vergraben und etwas Mehl wird in die Luft gestreut, so dass es der Wind davonträgt. Auch Blumenopfer
gehören zum Ritus: In Skandinavien werden Blumengeschmückte Majstangen aufgestellt, um die getanzt wird und die Menschen tragen Blumenkränze auf dem Kopf. In unseren Breitengraden wurden Kränze
aus Margeriten geflochten, die zum Schutz vor Gewitter und Blitzschlag an die Haus- und Hoftüren gehängt wurden. Je größer der Unterschied zwischen dem harten Winter und dem warmen Sommer, desto
intensiver und aufwendiger wurde von jeher dieser Tag gefeiert.
Der eigentliche und schönste Sonnwendbrauch ist wohl das Entzünden der Feuer, den sogenannten Sunnawend- oder Suwendfeuern, der Sonnengöttin zur Ehre und als Versprechen, sie in der kommenden
Zeit nicht zu vergessen. Die Feuer werden meist auf Berghängen oder anderen höher gelegenen Plätzen, im Norden auch auf Flößen auf dem Wasser, entzündet. Meist brennen sie die ganze Nacht
hindurch, werden im Sonnenlauf umtanzt, mit Blüten, Kräutern, Hölzern, Gewürzen und Früchten gefüttert und verliebte Paare springen gemeinsam über die Flammen, zum Segen für ihre Verbindung.
Alleine zu springen (oder zu steigen, wir werden alle nicht jünger!) reinigt uns vom Ballast des Vergangenen und öffnet uns für die Fülle. Viele Tänzer*innen binden sich Sonnenwendgürtel aus
Johanneskraut und/oder Beifuß um, während sie der Sonne und dem Leben huldigen, sie sollen schützen und heilen und befeuern.
Manchenorts geht es darum, wie hoch die Flamme brennt, andernorts wie rauchig es ist (räuchern im ganz großen Stil!) und alles Alte, Unbrauchbare, Lebenskrafthindernde kann symbolisch ins Feuer
geworfen werden - auf einen Zettel geschrieben, gemalt, in einen Blumenstrauß gebunden, gesungen, getanzt und gestampft. Auch Zauberdinge, Gerätschaften und Sygillen, die ihren Dienst getan
haben, kann man in den Sonnenwendfeuern gut an die Götter zurückgeben.
In der Mittsommernacht können wir vorübergehend übernatürliche Kräfte erlangen, so daß es uns gelingt, die Zukunft zu sehen oder in verborgene Klüfte der Erde zu schauen. Unsere Altvorderen
wussten, daß in dieser Nacht "die Schätze blühen" und sich in dieser heiligen Nacht durch ein blaues Feuer bemerkbar machen.
Bemerkbar machen sich auch die Feen, Elfen und Gnome, die Hinze & Kunze und alles magische Volk im Diesseits und Jenseits. William Shakespeare wurde von der Stimmung dieses Tages zu seinem
»Mittsommernachtstraum« inspiriert. Wer mit dem geheimen Volk, dem schönen Volk feiern will, der tut dies auf eigene Gefahr .. Wunder können geschehen, aber auch Jahre und Jahrzehnte wie im Flug
vergehen. In einigen Gegenden schützt man sich daher für den Fall eines zufälligen Kontaktes, indem man die Bekleidung mit der Innenseite nach außen gewendet trägt. Um die freundschaftlichen und
die nachbarschaftlichen Beziehungen mit den Guten Geistern zu pflegen ist heute eine schöne Gelegenheit, indem wir ihnen besondere Dankes- und Opfergaben bereitstellen .. ihr Anteil an unseren
Festtagsspeisen, Blumen und süßer Alkohol sind gerne gesehen.
Zu Mittsommer werden traditionell die magischen Kräuter zur Zubereitung von Heil-, Liebes- und Zaubertränken geerntet. In den Jahrtausenden des Umgangs mit Kräutern hat sich erwiesen, daß sich
die Eigenschaften vieler Pflanzen in diese heiligen Tagen maximal entfalten. Vor allem dem zu Mittsommer geernteten Johanniskraut wird besondere Heilkraft zugeschrieben.
Neun-Kräuter-Buschen werden gebunden, um damit Haus und Stall und seine Bewohner vor Krankheit und Unglück zu bewahren; sie werden auch auf die Dächer geworfen, um gegen Blitzschlag zu schützen (besonders tut sich da wieder die Donnerpflanze Johanneskraut hervor) und nebenbei sind sie natürlich eine hervorragende Hausapotheke! Wenn man sich Sporen des Farns über den Körper streut, soll man sogar unsichtbar werden. Wie es die weisen Frauen und Männer der Alten zeit getan haben, stecken viele Bauern im Süden bis heute zu Mittsommer Arnika rund um ihre Felder, um diese vor Dämonen zu schützen.
Eine mögliche Variante des Kräuterbuschens:
Johanniskraut (Hypericum)
Beifuß (Artemisia)
Eisenkraut (Verbena offcinalis)
Schafgarbe (Achillea millefolium)
Königskerze (Verbascum)
Wegwarte (Cichorium intybus)
Blutwurz (Tormentill)
Honigklee (Melilotus officinalis)
Rainfarn (Chrysanthemum vulgare)
Bevor Du sie pflückst, frag höflich nach, ob sie denn auch mit Dir gehen und für Dich sein wollen. In diesem Jahr ist die Energie der Pflanzenwesen besonders eigen, etwas ist „im Busch“ und ich
glaube, die Mittsommernacht hält einige Überraschungen für uns bereit.
Wie, was und wen Du auch immer feierst:
Ich wünsche Dir eine erfüllende Reise durch Tag&Nacht!
Gesegnet sei es.
Dein Urs Bärenkräfte