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Leinernte, das erste Erntefest

Was wir feiern … Leinernte, Schnitterfest, Kornfest, das erste Erntefest des Jahres.

 

Bei unseren keltischen Verwandten heißt das Fest Lughnasad, das Fest des Lugh.

 

Kalendarisch wird das Fest am 1.August gefeiert. Lunar zum zweiten Vollmond nach Mittsommer, so dass es den halben Weg von Mittsommer zum Herbstfest, der Herbsttagundnachtgleiche markiert. Dieses Jahr ist das der 24. Juli. Gefeiert wird meist in den Vollmond hinein, d.h. vom 23. auf den 24.07..

 

Es ist Hochsommer, die Zeit der heißesten Tage. Alles dreht sich um die Felder, die wir beackert haben und um die Ernte, die es heimzuholen gilt. Eine tägliches Wetten auf das Wetter :: wie lange kann das Korn noch Sonnenkraft tanken, wann wird es kippen und verbrennen, wann wandelt sich der mächtige Thor, Gatte der Göttin Sif, deren Haar das Korn verkörpert, vom Fruchtbarkeitsbringer zum Donnerer? Die Klimaveränderungen machen diesen Wettlauf nicht leichter. Dieser Tage mussten wir durch die Hochwasserkatastrophen schmerzlich erleben, wie sehr wir bereits zurückliegen und dabei sind, nicht nur diesen jährlichen „Wettlauf“, sondern das gesamte Rennen zu verlieren.

 

Das ist nicht leicht leicht zu nehmen, aber wir ernten immer das, was wir gesät haben - als Einzelpersonen, mit unseren Familien und Kreisen, als Gesellschaft und Menschgemeinschaft. Im Nordischen steht dafür die Rune Gebo [X], die uns mahnt daran zu denken, dass die Gabe stets Vergeltung verlangt. So oder so wird es, muss es einen Ausgleich geben.

 

Kornernte ist Zeit der Klarheit. Es ist nicht die Zeit, in der wir in Erinnerungen schwelgen oder über Vergangenes grübeln sollen. Es ist auch nicht die Zeit, sich in Planungen zu ergehen. JETZT ist, was zählt. Was ist jetzt reif, um geerntet, getan oder gesprochen zu werden? Ist es jetzt nicht dran, ist es jetzt nicht wichtig. Es gibt in dieser Zeitqualität nur schwarz oder weiß, schneiden oder stehen lassen, ja oder nein. Es ist die Zeit der Entscheidung. Und meist sind beide Wege mit Risiken verbunden, es ist simpel, aber nicht leicht. Tatkraft & Verantwortung sind die Schlüssel zu dieser Zeitqualität.

 

Wir leben in herausfordernden Zeiten und so kommt diese Zeitqualität wie gerufen, lassen wir uns darauf ein, können wir (endlich) das Jetzt &Hier klar wahrnehmen, es trennen vom Gestern und von unseren Traumschlössern. Wir können und wir müssen jetzt die notwendigen Entscheidungen treffen, die unsere Zukunft gestalten – zum Wohle oder zum Wehe für uns und für alle Wesen.

 

Und so, wie wir das Korn heimholen, um uns versorgt zu wissen, so bringen wir zum Fest auch die Kräuter nach Hause, die uns über das Jahr Schutz und Gesundheit schenken. Es ist Zeit, hinauszugehen und die Kräuterbuschen zu binden; traditionell werden magische 7 oder ein Vielfaches von 7 bzw. 9 oder ein Vielfaches von 9 Kräuter zu einem Bündel zusammengebunden und zum Schnitterfest geweiht. Die christliche Kirche hat den 15. August genau für diesen Zweck bestimmt, an ‚Maria Himmelfahrt‘ werden auch in den katholischen Kirchen die Kräuterbuschen geweiht. Außerdem beginnt der ‚Frauendreißiger‘, das entspricht der Zeit zwischen dem Leinerntefest und dem Herbstfest Mitte September (traditionell auch das nordische Herbstblót), die beste Zeit um heilwirksame Kräuter zu sammeln. Die Buschen werden hernach zuhause aufgehängt, sie schützen vor Blitz, Hagel und bösen Geistern und sie dienen ganz handfest als Hausapotheke.

 

Die Kräuter für den Buschen variieren regional, ich schreibe Dir hier meine persönlichen all-time Favoriten auf: Alant, Arnika, Beifuß, Frauenmantel, Hopfen, Kamille, Königskerze, Johanneskraut, Mädesüß, Malve, Rainfarn, Raute, Ringelblume, Thymian, Schafgarbe, Spitzwegerich, Wacholder und Wegwarte.

 

Bei unseren keltischen Verwandten kommt der Aspekt des Schnitterfestes nochmal deutlichst zum Tragen: es ist der Gott selbst, der - oft von der Hand der Göttin - zum Wohle des Landes und seiner Bevölkerung geopfert wird. Hier begegnen wir dem Sonnengott wieder, dem Heroen, der im Winter geboren, im Frühjahr gereift zum Gefährten der Göttin und zu Mittsommer auf dem Höhepunkt seiner Macht nun wieder sterben muss, um mit seiner Lebens-Kraft den ewigen Kreislauf aus Werden und Vergehen zu erhalten und uns darin. Ihm zu Ehren, als Verkörperung des Korngeistes, wird vielerorts auch heute noch die letzte Garbe auf dem Feld stehen gelassen, manches Mal geschmückt und mit Opfergaben bedacht.

 

Auch in der nordischen Mythologie finden wir die Tradition der letzten Garbe, in die sich der Korngeist, die Kraft der Fruchtbarkeit während des Aberntens des Feldes zurückgezogen hat. Sie wurde vielerorts als Geschenk an Odin, für sein Ross Sleipnir oder zusammengebunden zu einer Gestalt stehengelassen. In anderen Regionen wurde diese letzte Garbe feierlich geschnitten und zu einer Strohpuppe gebunden. Natürlich hat der Korngeist einen Namen, beim Weizen und Hafer ist es zumeist „der Alte“, der Wault, Getreide- oder Kornmann, beim Roggen ist es „die Alte“, die Kornmuhme, die Roggenmuhme oder Kornmutter. Und wie fast immer in der Geschichte wurden in den Erzählungen aus den heidnischen Fruchtbarkeitswesen irgendwann furchtbare dämonische Kräfte, die es zu meiden gilt und aus der Kornmutter wurde der Roggenwolf oder die Roggensau, die auf den leeren Feldern nach Opfern suchen. Aber zurück zur Kornpuppe: In den neuen Wault geht immer auch etwas Stroh von der Puppe des Vorjahres, so bleibt die Linie erhalten. Und so wie je nach Region diese neuen Puppen unterschiedlich geschmückt und über das gesamte Jahr bis zur nächsten Ernte gehütet und gefüttert wurden, so ging die des alten Jahres ins Feuer.

 

Die Zeitqualität des Kornfestes fordert uns auf, uns selbst zu prüfen: Wo stehen wir? Sind wir bereit im Hier&Jetzt Verantwortung für uns und unsere Kreise zu übernehmen? Verantwortung zu tragen für für die, die nach uns kommen? Zu tun, was Not-wendig ist? Sind wir bereit, einen Schnitt zu machen? Stehen wir allein oder in Gemeinschaft mit allem Lebendigen? Wer es wagt hinzuschauen wird in diesen Zeiten schnell und klar Antworten finden. Sie müssen uns nicht immer gefallen.

 

Ich wünsche Dir und Deinen Lieben gute Gesundheit, ein gesegnetes Fest und gute Entscheidungen.

 

Dein Urs Bärenkräfte Barth